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Dieser Artikel erschien
- leicht gekürzt -
am 10.08.2000 in der Wochenzeitung
Die Woche
.Fettauge auf der braunen Suppe
  - Immer mehr Politiker fordern ein Verbot der NPD. Was verbirgt sich sich hinter dieser Partei?
Der Name stand für das Programm: Adolf von Thadden. Der ehemalige stellvertretende Oberbürgermeister von Göttingen scharte 1964 versprengte Mitglieder der verbotenen Sozialistischen Reichspartei um sich und gründete mit ihnen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). Wenige Jahre später wurde er Bundesvorsitzender. Von Thadden verkörperte die Tradition des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik während der 68er Jahre. Niemand wäre auf die Idee gekommen, Rechtsextremisten als "Skinheads" zu bezeichnen. Im wissenschaftlichen Diskurs Deutschlands herrschte weitgehend Konsens darüber, dass Neonazis eine aussterbende Gattung waren. Das war schon damals ein Irrtum.

Die NPD ist die erfolgreichste Partei des rechtsextremen Sektors. Heute erinnert man sich kaum noch daran, dass die Nationaldemokraten 1969 den Einzug in den Bundestag mit 4,3 Prozent nur knapp verfehlten. Die NPD saß mit 61 Abgeordneten in sieben Landtagen. Auch in den siebziger Jahren erzielten einzelne NPD-Vertreter Wahlergebnisse, von denen heutige Rechtsextremisten nur träumen können: Der Bundesvorsitzende Mußgnug erreicht in Tuttlingen über 15 Prozent, sein Nachfolger Günter Deckert erhielt 1974 in Weinheim mehr als 25 Prozent der Stimmen. Niemand redete jedoch davon, dass Weinheim eine "national befreite Zone" sei.

Die Partei hat sich seit ihrer Gründung im Kern nicht verändert, ebensowenig die zentralen Eckpunkte des Programms. Die NPD propagiert eine völkische Idee von Staat und Nation. „Bloße Gesellschaften entwickeln keine Kultur, sondern bestenfalls eine Zivilisation, deren höchster Wert materiell ist. "Die „Eigenart" eines Volkes, die kulturelle Identität, ist für die NPD Biologie, somit eindeutig rassistisch definiert. Nation wird zur Schicksalsgemeinschaft des Blutes. [gekürzt: Deswegen hatten die Nationaldemokraten gegen das Ius sanguinis des deutschen Staatsbürgerschaftsrechts, das die nationale Zugehörigkeit aus einer fiktiven genetischen "Abstammung" erklärt, nie etwas einzuwenden.]

Die NPD hat von Anfang an die "kapitalistischen Wirtschaftsordnung" in ihrer gegenwärtigen Form abgelehnt. Sie operiert mit suggestiven Begriffen, die im deutschen Sprachraum eine eindeutige Geschichte haben. In Publikationen taucht permanent das "internationale Finanzkapital" auf. Diese Worthülse haben deutsche Rechtsextremisten von der NSDAP übernommen. [gekürzt: Der angebliche Unterschied zwischen "raffendem" und "schaffendem" Kapitel war ein zentraler Topos des antisemitischen Diskurses. Nur wenig musste modernisiert werden, um die NPD für ostdeutsche Sympathisanten hoffähig zu zu machen: der Kampf gegen das "internationale Kapital" wird heute von ultrarechten Theoretikern neu kodiert, als Kampf gegen die „Globalisierung".]

Zentrales Thema der NPD war seit 1964 die Relativierung der deutschen Geschichte und der Kriegsschuld. Auch hier blieb sie sich konsequent treu. Der Kampf gegen die "Lüge von der deutschen Alleinschuld", der schon im Programm von 1964 an zentraler Stelle stand, führt ohne Umwege zur Parole "Schluss mit der Vergangenheitsbewältigung" und der Propaganda gegen die heutige Wehrmachtsausstellung. Der bayrische Landesverband der NPD benutzte 1966 im Wahlkampf zum ersten Mal die schillernde Parole "Überfremdung", ein Begriff, der auch in konservativen Kreisen hoffähig ist. Er assoziierte damals die alliierte Präsenz in Deutschland und meinte deren vorgebliche "Umerziehung des deutschen Volkes". Die antikapitalische Attitüde der NPD-Parteiprogramms zielt seit seit drei Jahrzehnten gegen Amerika, gegen den "dekadenten westlichen Materialismus", ein zentraler Begriff der militanten Nazi-Terrorgruppen auch heute. Heute wird "Überfremdung" offen rassistisch unterlegt. "Fremd" ist das, was die NPD als solches definiert, auch Afrodeutsche und Juden.

Die NPD bediente immer die Wählerklientel, denen schon die "Sinus-Studie" 1971 ein rechtsextremistischen Weltbild bescheinigte. 13 Prozent der (West-)Deutschen hatten rassistische und antisemitische Vorurteile, neigten zum nationalen Chauvinismus und sympathisierten mit einem autoritären Staat. Der NPD hat es bis jetzt nicht geschafft, dieses Potential auszuschöpfen. Das gelang erst der DVU Gerhard Freys, die 1998 in Sachsen-Anhalt auf 12,5 Prozent kam. Mit ihren Abspaltungen, wie der "Deutschen Lige für Volk und Heimat", verbindet die NPD eine Art Hassliebe. 1990 liefen viele Funktionäre, auch der Ex-Vorsitzende Mußgnug, zur DVU über. Das hatte weniger mit politische Kontroversen zu tun als mit der finanziellen Potenz Freys, die mehr politischen Erfolg versprach. In der Realität arbeiten NPD und DVU zusammen und teilen sich mittels Absprachen die Territorien auf. Die Partei tritt an, die sich die meisten Chancen verspricht, für Wählerstimmen Geld erstattet zu bekommen. Der DVU-Aussteiger Jörg Fischer publizierte verschiedene Geheimabkommen zwischen der DVU und dem NPD-Präsidium, die dem Parteiengesetz widersprechen. [gekürzt: Die NPD stand Ende der 80er Jahre vor dem finanziellen Ruin. Der Multimillionär Frey verpflichtete sich im Januar 1988 schriftlich, die "Konkurrenz" mit einer Million Mark zu unterstützen.]

Die extrem rechten Wählerschichten sind äusserst labil, auch wenn sich heute das Milieu, die rassistische Alltagskultur, im Osten stablisiert hat. [gekürzt: Rassistische und antisemitische Einstellungen artikulieren sich nur politisch, wenn der öffentliche Diskurs sie als Mainstream etabliert hat. Die Geschichte der NPD beweist, dass Rechtsextremismus in Deutschland nie ein ökonomisches oder soziales Problem war, sondern immer ein politisches. Eine Partei wie die NPD war und ist immer nur die Hülse für eine jeweils wechselnde Wähler-Klientel. Ob eine Partei politisch überlebt, entscheidet sich daran, ob sie in der Lage ist, den potentiellen Wählern dorthin zu folgen, wo diese gerade sind. Die Wähler folgen nicht der Partei, sondern umgekehrt.

Heute wiederholt sich die Geschichte der siebziger Jahre. Nach dem gescheiterten Einzug in die seriöse Politik spalteten sich zahlreiche radikale Gruppen von der NPD ab. Der militante und terroristische Neonazismus der Bundesrepublik entwickelte sich parallel zum zeitweiligen Niedergang des parlamentarischen Arms der Rechtsextremisten. .] Die NPD hat heute in Sachsen immer noch mehr Mitglieder als etwa die Grünen, erlitt aber jüngst einen grossen Aderlass an jungen Parteigenossen, wie schon vor 25 Jahren. Nachdem die Partei in ihren Hochburgen, vor allem im sächsischen Muldentalkreis, für ihre Kader kaum Sitze in den Stadträten erringen konnte, konzentrieren sich die örtlichen Anführer der rechten Szene wieder auf die "außerparlamentarische" Jugendarbeit. Das Milieu organisiert sich in informellen und "freien Kameradschaften". Eine Partei wie die NPD dient immer nur als Mittel zum Zweck. Fast alle prominenten Führungspersonen sind in ihrer politischen Karriere durch illegale neonazistische Gruppen, wie etwa die "Wiking-Jugend", sozialisiert worden. Der Ingenieur Frank Schwerdt aus Berlin, heute im Parteivorstand, war Initiator der militanten und heute verbotenen Politsekte "Die Nationalen", die in den neuen Bundesländern die Fascho-Szene aufbaute. Jens Pühse aus Freising ist ehemaliger Kader der verbotenen "Nationalistischen Front", ebenso wie der prominente NPD-Funktionär Steffen Hupka. Ein Verbot der Partei wäre für diese Neonazis, die schon mehr als ein Jahrzehnt "im Geschäft" sind, keine neue oder überraschende Erfahrung.

Mit dem Umzug der Parteizentrale nach Dresden hat die NPD unter Udo Vogt, der seit 1996 Parteivorsitzender ist, Zeichen gesetzt. Die Propaganda konzentiert sich mehr auf Begriffe, die für ostdeutsche Sympathisanten attraktiv wirken: "Sozialismus ist machbar" heisst es auf einem Flugblatt, das in Thüringer verteilt wurde. Die NPD distanziert sich offiziell von plumpen Hitler-Verehrern. Die Parole: "Adolf Hitler hat die Ideale des Nationalsozialismus an die Grossbourgeoisie verraten" schliesst sich nahtlos an die Propaganda des "dritten Weges" zwischen Kapitalismus und Kommunismus an. Das fällt in den neuen Bundesländern auf fruchtbaren Boden. Der öffentliche politische Diskurs ist bei der heranwachsenden Generation diskreditiert. Rechte Alltagskultur artikuliert sich in subkulturellen Codes, nicht in Wahlverhalten. Was der militärische Dresscode und die Freicorps für die Sozialisation der NSDAP-Mitglieder war, sind die Skinhead-Ikonografie und die lokalen "Kameradschaften" für das heutige Neonazi-Milieu. Die NPD schwimmt nur als Fettauge auf der braunen Suppe.

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