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Dieser Artikel erschien
- leicht gekürzt -
am 22.05.2000 im
Tagesspiegel,
Berlin
.Auf Kriegsfuss mit dem User
  - Die Ehre der Webdesigner
Leider haben Webdesigner keinen volkserzieherischen Auftrag. Wenn das so wäre, müsste man sie sofort feuern. Die Internet-Seiten der meisten deutschen Firmen gewöhnen den surfenden Kunden daran, vor dem Einkauf die Hosen herunterzulassen, nur mit nummerierten Geldscheinen zu bezahlen und seine Lieblingsprodukte - tabellarisch geordnet und in Schriftform - beim Geschäftsleiter abzugeben, bevor dem Käufer auch nur ein Gummibärchen ausgehändigt wird. Webdesigner sind die natürlichen Feinde des Surfers: Sie spionieren ihn aus und verkaufen gravierende Sicherheitsmängel und ihre eigene Faulheit als ästhetische Notwendigkeit des Layouts. Wenn die Gepflogenheiten der E-Commerce-Unternehmen auch in der Automobilbranche um sich greifen würde, dann wären die Designer demnächst für die Bremsanlagen zuständig und Wolfgang Joop für den TÜV - mit dementsprechenden Ergebnis.

Ein bewusster Surfer nimmt die Ratschläge des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik ernst: er deaktiviert Inhalte, die seinen Rechner schädigen könnten. "Könnten" heisst: Wenn noch nicht einmal Weltfirmen ihre Angestellten schulen, wie man ein E-Mail-Programm professionell nutzt, wie kann man sicher sein, dass eine elektronische Presseerklärung nicht ungewollt ein Makrovirus enthält? Selbst die Pressestellen rennomierter Multimedia-Firmen in Berlin sind nicht in der Lage, E-Mails im Textformat zu versenden. Nein, es muss unbedingt ein Bill-Gates-kompatibles Anhängsel alias "Attachment" sein. Man gewöhnt sich an Klickibunti-Software, und nur nicht an die Folgen denken

Wer weiss, das man mit der Programmiersprache Javascript, heimlich in den Code einer Website eingebaut, eine Denial-of-Service-Attacke starten kann, der schaltet als Hacker-Prophylaxe diese potentiell riskanten Dinge aus. Doch Webdesigner schliessen von MTV auf WWW: Alles muss zappeln. Ohne Javascript kann man fast keine Seite mehr lesen. Es ginge auch anders, ein Webdesigner brauchte nur korrektes HTML können. Das müsste man lernen - aber wozu? Für Webdesign gibt es doch Software! Wer bei Adidas online ein T-Shirt kaufen will, muss die Sicherheitseinstellungen des Browsers zuerst auf ein Niveau reduzieren, dass andererorts den Surfer in Gefahr bringt, sich ein Trojanisches Pferd einzuhandeln. So erzieht man den Kunden zur Dummheit.

In den USA ermitteln seit dem Frühjahr Staatsanwälte gegen grosse E-Commerce-Unternehmen, eine Sammelklage auf 50 Milliarden Dollar wurde gegen das Internet-Portal Yahoo eingereicht. Yahoo bombardiert die Rechner der Surfer mit Cookies, kleine Dateien, die sein Verhalten protokollieren und beim nächsten Besuch einen gläsernen Kunden schaffen. Das sei Belästigung, so die Anwälte der Verbraucherschützer, und das ist in einigen Bundesstaaten strafbar. In Deutschland gibt es kaum ein Unternehmen, das auf Datenspionage dieser Art verzichtet. Der bewusste Kunde stellt Cookies in den Optionen des Browsers aus. Wird er beim Online-Einkauf dazu gezwungen, das per Hand rückgängig zu machen, ist er verärgert. Vertrauen in E-Commerce schafft das nicht. Aber daran sind Webdesigner nicht interessiert - sie setzen ohnehin nur auf die DAUs (dümmste anzunehmenden User), die gar nicht wissen, was mit ihnen geschieht. Und wenn die 134. Sicherheitslücke in Microsoft-Programmen veröffentlicht wird, heisst es: aber die vielen Fliegen, die ihre Notdurft an derselben Stelle verrichten, können doch nicht irren!

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