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Erschienen im TIP Berlin
(stark gekürzt)
24.04.2003
.Der Bau welches Herrn?

Berlin-Kreuzberg soll ein eine neue Moschee bekommen

Die nächste öffentliche Steinigung findet Sonntag um 14 Uhr statt. So ungefähr stellt sich Otto Normalberliner die "Scharia" vor, das islamische Gesetz. Suleiman-der-Prächtige-Moscheen in Berlin statt Kaiser-Wilhelm-Gedächnis-Kirche. Bärtige Turbanträger im Roten Rathaus. Paschtunisch als Umgangsprache im Finanzamt Wilmersdorf. Der krächzende Ruf des Muezzin hallt über Bolle und die deutsche Curry-Wurst. Osama bin Laden-Portraits allüberall. "Allahu akbar" steht auf den Knöllchen, die Hostessen im Schador an böse Autofahrer verteilen. Kein Zweifel: das Ende wäre nahe.

Apropos: Auf dem Gelände der Bolle-Ruine in Kreuzberg soll eine neue Moschee gebaut werden. Während der legendären 1. Mai-Bambule 1987 war der Supermarkt abgebrannt. Und der kleine, aber um so hässlichere Platz blieb seitdem leer und verschandelte die Gegend. Moscheen: das sind Gebäude, in denen sich Menschen versammeln, die unter dem islamischen Gesetz leben wollen. "Hier ist doch nicht die Türkei!" empören sich daher die Nachbarn. Und wer erklären will, dass die Türkei kein islamischer Staat sei, redet ins Leere. Erschwerend kommt hinzu, dass niemand genau weiß, wer hinter den neuen Besitzern des Grundstücks steckt. Bauherr der geplanten Moschee ist ein ominöser "Islamischer Verein für wohltätige Projekte e.V., ansässig in der Omar-Moschee, stilsicher ansässig im Hinterhaus in einer Fabriketage, direkt am Görlitzer Bahnhof.

Die "Islamische Förderation", der selbst unterstellt wird, mit der islamistischen "Milli Görüs" verbandelt zu sein, kennt die neue Konkurrenz nicht. Burhan Kesici, einer der Sprecher, weiß über den Verein nur:"Die reden schlecht über uns." Berliner Islam-Experten wiegen besorgt die Köpfe, wollen sich aber ungern zitieren lassen. Der wohltätige Verein: das seien "Islamisten", eine "religiös durchgeknallte Sekte". Frauen dürften bei denen keine Gurken kaufen - Frau könnte auf unsittliche Gedanken kommen. Und Mütter müssten beim Baden männlicher Babys Gummihandschuhe anziehen, weil der Urin unrein sei. Und die Scharia wollten die einführen. Also doch Handabhacken am Kottbusser Tor?

Der geheimnisvolle "wohltätige Verein" ist die deutsche Zentrale der "Association of Islamic Charitable Projects". Hauptquartier laut Website: Philadelphia, Pennsylvania, USA. Aber das stimmt nicht. Die eigentliche Zentrale ist die Burj Abi Haydar-Moschee in Beirut. Die Organisation - meistens "al-Ahbash" oder "die Äthiopier" (siehe Info-Kasten) genannt - stammt aus dem Libanon und hat sich mit der libanesischen Migration vor allem in die Schweiz und Frankreich ausgebreitet. Ihre Mitglieder bestehen - neben Libanesen - vor allem aus Palästinensern und libanesischen Kurden.

Islamwissenschaftler aus dem Ausland geraten bei der al-Ahbash geradezu in Verzückung. Das sei die "interessanteste und kontroverseste Gruppe", die es gebe, schwärmt Professor A. Nizar Hamseh von der amerikanischen Universität in Beirut. Der Berliner Politologe Ralph Ghadban, der aus dem Libanon stammt, bezeichet die al-Habashi - nach ihrem Gründer Abdullah al-Habashi - als "Sufi-Orden". Sufis - das sind: grüne Turbanen, wirbelnde Derwische, esoterischer Firlefanz, der insbesondere ältere deutsche Damen fasziniert. Aber das ist auch nicht richtig: der Sufismus, eine eher mystische orientierte Version des Islam, war der religiöse Mainstream im Osmanischen Reich und hat den Islamismus wie auch die türkische "Milli Görüs" beeinflusst. Die deutschen Sufis - wie deren grösster Orden, die Naqschbandis - könne die al-Ahbash nicht leiden. Abd al-Hafidh aus der Eifel, vor seinem Übertritt zum Islam Herr Wenzel genannt und heute Sprecher der Naqschbandis, kennt al-Ahbash kaum. Er kann sich nur daran erinnern, bei seiner frommen Pilgerfahrt nach Medina von den al-Habashi als "Ungläubiger" beschimpft worden zu sein.

Das Internet ist voll von pro und contra al-Habash. Das sei eine Häresie, also eine gefährliche Irrlehre, tobt ein saudiarabischer Muslim und schiebt gleich noch eine verdammende Fatwa hinterher. "Mulims, beware of "Abdullah habashi" tönt die "Sunnah Foundation of America". Die Vorwürfe sind schwerwiegend: Die al-Ahbash veranstalteten Feste, auf denen "unbekleidete" und sogar "parfümierte" Frauen aufträten. Männern sei es erlaubt, mit einer verheirateten Frau auszugehen, ohne vorher deren Ehemann gefragt zu haben. Sie dürften die Frau sogar lange ansehen! Besonders übel sei auch, dass die al-Ahbash Christen als "ehrenwerte Leute" bezeichneten. Der christliche Erziehungsminister des Libanon sei sogar bei einer Party der al-Habashi beobachtet worden. Als "abnormal" erscheint den Kritikern, dass "westliche" Musikinstrumente erlaubt seien, um religiose Lieder zu spielen. Der Gipfel des Irrglaubens: "Sie haben große Musikgruppen wie die von James Last, und singen und tanzen mit Frauen."

Auf der Website der al-Ahbash liegt jede Menge Sound zum download, der sich anhört wie Gospel auf islamisch. Der deutsche Dichter Johann Gottfried Seume, Patron aller Chöre, prägte den Merksatz: "Wo man singt, da lass Dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder." Wer also James Last und seichte Popmusik mit schrägen Texten mag, wird sich in der Kreuzberger Moschee, die demnächst bei Bolle gebaut wird, vermutlich wohlfühlen. Politisch konservative Muslime jedoch weniger. Die al-Ahbash gelten als Todfeinde der politischen Islamisten. Sie lehnen jede Gewalt ab, auch ein Kalifat, wie es der islamische Kölner Sektenführer Metin Kaplan in Deutschland einführen wollte. Die al-Ahbash sind gläubig und konservativ im religiösen Sinn. Sie machen sich jedoch in der islamic community unbeliebt, weil sie zwar religiöse Toleranz predigen, aber schnell bei der Hand sind, andere Islam-Interpretationen als "falsch" zu deklarieren. Aber sich mit Gewalt gegen die staatliche Ordnung aufzulehnen, ist ihnen definitiv verboten.

Die meisten der Vorwürfe, die auch einige der hiesigen Islam-Experten unkritisch wiederkäuen, stammen aus der Propagandaabteilung Saudi Arabiens. Dort vertritt man den Wahabismus, die Islam-Variante, die auch die Taliban praktizierten. Die haben die Geschichte mit dem Verbot des Gurkenkaufs in die Welt gesetzt. Die Wahabiten muss man sich ungefähr so liberal vorstellen wie Zeugen Jehovas mit Maschinenpistolen. Ursula Spuler-Stegemann, Religionswissenschaftlerin an der Univerität Marburg und eine der wenigen Islam-Expertinnen Deutschlands, hat von den al-Ahbash nicht viel gehört, weiß aber: "Die Saudis können Sufis nicht ausstehen."

Die Omar-Moschee in der Skalitzer Strasse lässt von all dem wenig erahnen. Birol Ucan, ein deutscher Türke und Pressesprecher des "Islamischen Vereins für wohltätige Projekte", gibt vor, von den Kontroversen wenig zu wissen. Vielleicht hat er auch von der„Taqiya" gehört, dem islamischen Gebot sich zu verstellen, um der eigenen Sache nicht zu schaden - eine professionelle Haltung den Medien gegenüber. Der Prediger des Vereins, Yasser El-Daoud, ein Palästinenser, traut sich nicht an die Öffentlichkeit. Auch der Vereinsvorsitzende Hassan Khodr, der als Beruf "Autohändler" angibt, kommt nicht aus der Deckung. Und niemand weiß etwas, wenn es um die Frage geht, wer den teuren Moschee-Neubau finanzieren soll. Man besitze ein Haus in Peine bei Hannover, aber dort keine Moschee. Wenn das Geld nicht reiche, wären Selbsthilfe angesagt und eine Light-Version der Moschee. Wer's glaubt. Die al-Ahbash in der Beiruter Zentrale hatten immer ausreichend finanzielle Mittel. Das wird die Berliner ruhig schlafen lassen.

Eine Moschee, so sagt Ralph Ghadban, sei auch eine Machtdemonstration. Die al-Habashi betrieben eine aggressive Mission, vor allem unter emigrierten Palästinensern. Und ein Pressesprecher mit türkischem Namen öffne die Türen zur türkischen Gemeinde, die einem Araber nicht ohne weiteres offen stehen. Birol Ucan ist auch nicht so ahnungslos, wie er sich gibt. Er kennt sich in den Details, die islamische Konkurrenz betreffend, hervorragend aus. Das Publikum bei der "Islamischen Föderation" sei "gemischt", meint er vorsichtig und verweigert jeden weiteren Kommentar. Das klingt nach dem Versuch der friedlichen Koexistenz. Aber wenn die Moschee gebaut wird, vermutlich schon im Sommer diesen Jahres, werden die al-Habash der strengeren und konservaten islamischen Konkurrenz, die jetzt noch in Berlin dominiert, Kopfzerbrechen machen. Und vielleicht bekommen die 50000 Berliner Aleviten, die tolerant und weltlich orientiert sind und die in der Öffentlichkeit nur selten wahrgenommen werden, plötzlich unerwartete Bundesgenossen. Birol Ucan weist den Vorwurf der Intoleranz gegenüber anderen islamischen Richtungen weit von sich: "Wir erklären alle zu Ungläubigen, die alle anderen zu Ungläubigen erklären", sagt Ucan spitzbübisch. Und grinst dabei ganz unislamistisch.

Infokasten

Al-Ahbash, "Association of Islamic Charitable Projects", arabisch: "Jam'iyyat al- Mashari' al-Khayriyya al-Islamiyya", auch "al-Habashi". Ihr Gründer war der Mufti (islamischer Rechtsgelehrter) Abdullah al-Habashi, geboren 1920 im äthiopischen Harare. Seine Anhänger werden auch "Habashiyyin" genannt. Das steht für "Abessinier" - ein anderes Wort für Äthiopier. 1947 ließ Kaiser Haile Selassie den Mufti nach Saudi Arabien deportieren. Später studierte al-Habashi in Damaskus und in Beirut. 1983 übernahmen seine Gefolgsleute die schon seit 1930 existierende "Gesellschaft für philanthropische Projekte".

Im August 1995 wurde der Führer der al-Habashi, Scheich Nizar al-Halabi, in Beirut von maskierten Männern auf offener Straße erschossen. Drei der Täter wurden gefasst und zum Tode verurteilt. Das Attentat ging auf das Konto der palästinensischen Terrorgruppe "Osbat al-Ansar", deren Anführer Ahmad Abd al-Karim (Kampfname: Abu Mahjan) in Abwesenheit ebenfalls zum Tode verurteilt wurde. Man vermutet, dass al-Karim sich im Flüchtlingslager „Ain al-Helweh" im südlichen Libanon aufhält. Das Camp ist für libanesische Militärs und Polizei "off limits". Im Oktober 2001 gab die libanesische Regierung an die USA Informationen weiter: die Terrorgruppe "Osbat al-Ansar" stehe in engem Kontakt zur "al-Kaida" Osama bin Ladens.

Die al-Ahbash gilt unter Religionswissenschaftlern als sunnitische Gruppe mit schiitischen Elementen und starkem Einfluss des Sufi-Spiritualismus. Professor A. Nizar Hamzeh von der Amerikanischen Universität in Beirut bezeichnet die al-Ahbash als "Sufi respons to political Islamism". Vom orthodoxen Islam wie den Wahabiten, der die Taliban und das saudische Königshaus zugerechnet werden, unterscheidet die al-Ahbash die radikale Absage an Gewalt. Sie besitzt keine eigene Miliz und ruft nicht zum Kampf gegen Israel auf. Al-Ahbash hat sehr gute Kontakte zur syrischen Regierung, aber auch zu den christlichen Wählern im Libanon. Mit der schiitischen Hizbolla schloss al-Ahbash eine nur politische Allianz.

Der Koran ist für al-Ahbash nicht das Wort Allahs im Original, sondern gebe nur seine Meinung wider. Diese "liberale" Interpretation bezeichnen orthodoxe Islamisten als Häresie. Dem Mann ist nicht verboten, eine Frau anzuschauen. Frauen dürfen auch in der Öffentlichkeit singen und tanzen und "westliche" Musik hören. Die al-Habashis predigen religiösen Pluralismus, bezeichnen aber alle politischen Islamisten als "takfir" - "Ungläubige".

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