Der Leuchter-Report: Auschwitz-Lüge und Leugnung des Holocaust VII

Der Franzose Jean-Claude Pressac, Jahrgang 1944 und gelernter Apotheker, fuhr erstmals 1966 nach Polen, wo er auch Konzentrationslager bzw. Gedenkstätten besichtigte. Als Konsequenz seiner Tour beschloss er, einen Roman zu verfassen, in dem er sich ausmalen wollte, wie das Leben aussähe, wenn die Deutschen gewonnen hätten. Die Recherchen für das Buch machten im Oktober 1979 einen zweiten Auschwitz-Besuch erforderlich. Er markiert den Aufbruch zu einer wissenschaftlich und persönlich erstaunlichen Reise, die für die Behauptung, tödliche Gaskammern seien ein Hokuspokus, düstere Folgen hatte. Die Reise beinhaltete jahrelange Forschungen, mehr als fünfzehn Exkursionen nach Auschwitz sowie bahnbrechende Entdeckungen in den Archiven der ehemaligen Sowjetunion.

Bei seinem Studienaufenthalt in Auschwitz 1979 überprüfte Pressac Photographien, Dokumente und Auftragspapiere, die sich auf Entwurf und Bau der Gaskammern bezogen. Weil er sich darüber wunderte, dass einige Pläne auf den ersten Blick Widersprüche aufzuweisen schienen, erkundigte er sich eingehend bei den Museumsvertretern und -archivaren nach der Machart der Gaskammern. Jene konnten seine Zweifel zum Teil zerstreuen, indem sie ihm eine Anzahl Zeichnungen und Schriftstücke zeigten, welche Lager und Vollstreckungsgebäude abbildeten bzw. beschrieben. [**] Sie brachten triftige Argumente vor, die Pressac akzeptierte; dennoch irritierte ihn der Umstand, dass er auf keiner Skizze das spezifische Etikett "Gaskammer" finden konnte.

Pressacs Verwrrung entbehrt in der Tat nicht einer gewissen Berechtigung, da - wie er im Nachhinein erfahren sollte - eine Reihe von Gaskammern ursprünglich nicht als Todesfallen konzipiert waren, sondern diesem Zweck gemäss umgestaltet wurden. [85] Als er später die Unterlagen auswertete, welche den Umbau dokumentierten, stiess er auf eine Überfülle von Indizien für die Spezialfunktion der Gaskammern. Doch zunächst schlug er einen potentiell gefährlichen, aber aufschlussreichen Umweg ein und entwickelte sich um Haaresbreite zum Holocaust-Leugner.

Bei seiner Arbeit im Auschwitzer Archiv hörte Pressac von einem französischen Professor, der dem Archiv 1976 einen flüchtigen Besuch abgestattet hatte, aber wegen Krankheit bereits nach zwei Tagen wieder abreisen musste.Kurze Zeit später veröffentlichte der bewusste Gelehrte eine Artikelserie, in der er die These aufstellte, dass eine Gaskammer, in der Cyyanwasserstoff zur Tötung von Menschen eingesetzt wurde, ein Ding der Unmöglichkeit und die Judenvernichtung an Orten wie Auschwitz deswegen nichts als Legende war, Resultat historischer Fälschung, wenn nicht des vorsätzlichen Betrugs. [86] Nach seiner Rückkehr suchte Pressac Robert Faurisson in Frankreich auf. Faurissons offenbar unendliche Beschlagenheit auf zahlreichen Gebieten und seine "respektheischenden, untadeligen Referenzen" beeindruckten Pressac so, dass er begann, sich regelmässig mit Faurisson zu treffen. [87] Dieser Zustand währte etwa neun Monate; in dieser Zeit gewährte Faurisson Pressac Zugang zu seinen Akten, da ihm sehr daran gelegen war, den Apotheker in die Reihen der Holocaust-Leugner zu locken [88] Im Anfang tendierte Pressac stark dazu, Faurissons Unterstellungen Glauben zu schenken. Nach einigen Monaten lebhaften Austauschs nahm die Häufigkeit der Zusammenkünfte ab. Als Pressac merkte, dass bei Faurisson "Dogmatik vor Wahrheit" rangierte, brach er im April 1981 den Kontakt gänzlich ab. Pressacs persönliche Lektüre der Dokumente überzeugte ihn davon, dass Faurissons Hypothesen mit schweren Mängeln behaftet waren.

Nachdem Pressac sich von Faurisson distanziert hatte, merkte er, dass seine Faszination nicht von Faurissons Gedanken, sondern dem scheinbaren Talent des Professors hergerührt hatte, alles immanent Unglaubhafte "zu nichts zu rationalisieren". Dies ist stets der letzte Trumpf der Holocaust-Leugner, den sie geschickt auszuspielen verstehen: Nur sie verfügen über die einzig vernünftige Erklärung, warum sich etwas zugetragen hat, das ungeachtet sorgfältigster Untersuchungen im Prinzip unerklärlich bleibt - es ist nämlich gar nicht geschehen. Als Pressac die Theorien der Holocaust-Leugner einer fundierten Analyse unterzog, die sich auf Quellenmaterial stützte, begriff er, dass sie nicht nur nach den Regeln wissenschaftlicher Vorgehensweise fehlerhaft waren. Sie ignorierten zudem eine erdrückende Beweislast, die akkurat untermauerte, was Faurisson und Genossen zu leugnen suchten.

Pressacs Bedenken über Faurissons methodologische Lauterkeit meldeten sich erstmalig an, als sie gemeinsam die wöchentlichen Listen der Häftlinge durchgingen, die im nahe Strassburg gelegenen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof umgebracht worden waren. Ab August 1943 gelangte dort eine Gaskammer zum Einsatz, um einen Dozenten am Anatomie-Institut der Strassburger Universität, August Hirt, mit Skeletten für seine Sammlung zu versorgen. Otto Bickenbach, ein weiterer Professor, benutzte sie ebenfalls, weil er an den Gefangenen medizinische Experimente durchführen wollte. Ungefähr 130 Menschen, überwiegend Juden und Zigeuner, wurden darin ermordet. Während Pressac und Faurisson sich mit den Lagerakten beschäftigten, erblickte Pressac den "redlichen, peinlich genauen Gelehrten in neuem, beunruhigendem Licht". [89]

Die Lagerverwaltung erstattete wöchentlich Bericht über die Zahl der Insassen. Zwei Aufzeichnungen vom August 1943, dem Monat, in dem man mit der Benutzung der Gaskammer begann, geben signifikante Aufschlüsse. Aus der Aufstellung vom 14. August geht hervor, dass zu Wochenbeginn 90 Juden zugegen gewesen waren; 30 von ihnen starben und hatten das Lager "verlassen". der Bericht für die Folgewoche zeigt, dass von den 60 Juden, die sich am Anfang jener Woche im Lager befanden, 57 starben. Die extrem hohen Todeszahlen zwei Wochen hintereinander, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, da die Gaskammer den Betrieb aufgenommen hatte, weckten in Pressac Verdacht. Bald entdeckte er eine weitere Spur. Bei allen anderen Rapporten war auf der Rückseite die Todesursache vermerkt worden. In diesen beiden Fällen jedoch wurde die betreffende Stelle ausgespart. Alle anderen opfer waren im Bürgermeisteramt von Natzweiler registriert. Für diese Toten hingegen fehlte jede Beurkundung. [90] Pressac sah in den beiden Listen "einen vernichtenden Beweis" dafür, dass diese Juden "en masse" ermordet worden waren. Faurisson hingegen konnte sogleich mit einer "Erklärung" aufwarten. Die für die Woche vom 14. und vom 221. verwendeten Formulare differierten geringfügig von den übrigen. [Sie waren - im Gegensatz zu den früheren lateinischen Lettern - in Frakturschrift gedruckt.] Faurisson setzte seinem zweifelnden Jünger auseinander, dass die unterschiedlichen Buchstabentypen bei den SS-Leuten zu Missverständnissen führten. Anstatt die Juden auf der Zeile für "Entlausungen" einzutragen, schrieb die SS sie irrtümlich in die Zeile für "Todesfälle".. Und aus irgendeinem Grund beging die SS denselben Fehler zweimal hintereinander. Diese zweckdienliche Deutung, bei der eine Reihe gegenteiliger Indizien ausser acht gelassen wurde, tönte in Pressacs Ohren wie eine "Alarmglocke". Faurissons Interpretationen schienen ihm nicht länger so logisch und präzise wie zuvor, und mit den ggegebenen Tatsachen hatten sie gewiss nicht viel gemein.

(Es wirkt wie ein Witz, dass Pressacs Argwohn dadurch erregt wurde, wie Faurisson mit den Natzweiler-Rapporten umsprang. Zum damaligen Zeitpunkt wusste Pressac offensichtlich nicht, dass die SS-Einheit, welche die Einrichtung der Gaskammer überwachte, ein Schriftstück zurückliess, das den Zweck der Anlage explizit dokumentierte. Sie sandte nämlich an das Anatomische Institut der Strassburger Universität eine Rechnung für "die Installation einer Gaskammer". [91])

Als Faurisson sein Zusammentreffen mit Vertretern des Auschwitz-Museums schildert, läutet bei Pressac die nächste Alarmglocke: "Ich forderte einen der Muuseumsvertreter, Herrn Jan Machlek, auf, dorthin zu kommen [Krematorium 1]. Ich wiess auf die Schornsteine. Ich fragte ihn: "Sind sie authentisch?" Er antwortete "Selbstverständlich!" Ich strich mit meinem Finger über eine der Schornsteinöffnungen und zeigte ihm, dass kein Russ an meinem Finger klebte. Mit sichtlicher Verlegenheit erzählte er mir, die Schornsteine seien "wiederaufgebaut" worden." [92]

Faurisson suchte den Eindruck zu erwecken, als habe er den Mann vom Museum bei einer Lüge ertappt und ihn gezwungen, die Wahrheit zu sagen. doch es war Faurisson selbst, nicht der Museumsangestellte, der Verwirrung stiftete. Um die Echtheit von Schornsteinen zu belegen, die ihrer Bestimmung seit mehr als fünfunddreissig Jahren nicht mehr gedient haben, müssen Russpuren nachzuweisen sein - diese Idee Faurissons ist ungefähr ebenso luzide wie sein Einfall, die SS-Offiziere hätten einen Vordruck in Frakturschrift nicht entziffern können. Und in seiner triumphierenden Aussage, der "verlegene" Museumsvertreter sei nur aufgrund seiner Enthüllungen zu dem Eingeständnis gezwungen worden, dass es sich bei der Vorrichtung um eine "Rekonstruktion" handele, steckt ein ähnlich tückischer Wurm. Warum sollte jener Herr überhaupt peinlich berührt gewesen sein? Im Museum ausgestellte Bilder illustrieren, wie das Gebäude nach dem Krieg neu errichtet wurde. [93]
[...]
Die Auswirkungen von Leuchters Werk sind schwer einzuschätzen. Unter rationalen Gesichtspunkten sollte dem Leuchter-Report kein anderes Schicksal beschieden sein als in den Mülleimer der Geschichte zu wandern. Immerhin ist Leuchter vor aller Öffentlichkeit blossgestellt worden, dem die zur Durchführung seiner Untersuchung notwendige Qualifikation fehlt; die wissenschaftlichen und methodologischen Irrtümer seiner Arbeit wurden zur Genüge demonstriert. Doch der Holocaust und - zu einem kaum geringeren Grad - die Holocaust-Leugnung selbst stehen als Mahnmale dafür vor uns, dass das Irrationale sogar auf die Wohlmeinendsten eine fatale Anziehungskraft ausübt. Es überschattet selbst wahre Faktengebirge und verleitet die Menschen dazu, die unhaltbarsten, unerhö,rtesten Vorstellungen als Tatsachen zu akzeptieren. Diese Situation tritt noch rascher ein, wenn die Allgemeinheit keinen Zugang zu dem historischen und technischen Wissen besitzt, ohne das jene völlig phantastischen Unterstellungen nicht ad absurdum geführt werden können. Dass die Holocaust-Leugner in der Lage sind, ständig wieder auf Leuchters Erkenntnissen herumzureiten, obwohl denen bereits gründlich jeder Boden entzogen wurde, bildet ein weiteres Anzeichen dafür, dass die Wahrheit viel zerbrechlicher ist als die Dichtung und dass Ratio allein sie nicht zu schützen vermag.