Der Leuchter-Report: Auschwitz-Lüge und Leugnung des Holocaust VI

Leuchter sagte vor Gericht aus, seine Auschwitz-Befunde stützten sich auf die Voraussetzung, dass die konkrete Anlage der Gegenwart sich nicht von ihrem Zustand im Krieg unterscheide. [54] Er schien nicht zu wissen oder zu berücksichtigen, dass Auschwitz nach dem Krieg partiell wiederaufgebaut worden war. Leuchter realisierte durchaus, dass er in Majdanek auf komplettrekonstruierte Gebäude und Gegenstände blickte; trotzdem zog er seine eigenwilligen Schlussfolgerungen. Nachdem der Richter dies erfahren hatte, disqualifizierte er Leuchters Untersuchungen über Majdanek als unzulässig: "Wir haben hier keine Pläne, sondern eine Nachbildung vor uns. Der Zeuge befindet sich nicht in der Lage, über diesen Punkt kompetenter zu referieren als ich selbst. ..." [55]

Gemäss Leuchter basierten seine erkenntnisse überwiegend auf den vorgefundenen Rückständen von Zyklon-B. Die Nazis setzten das Gas nicht nur zur Ermordung von Menschen ein, sondern auch, um Kleidung zu entlausen und Insekten und Nagetiere zu bekämpfen. [56] Die Proben, die Leuchter den Entlausungszellen entnahm, enthielten ein weit höheres Blausäureresiduum als die aus den Mordkammern. Die Ziegelsteine der Entlausungskammern wiesen insgesamt viel häufiger die durch Cyanwassersstoff hervorgerufene, charateristische Blaufärbung auf als die Steine aus den tödlichen Gaskammern. Für Leuchter bedeuteten die niedrigere Quantität von Rückständen sowie Färbung einen schlüssigen Beweis dafür, dass die Häuser, die der Ermordung von Menschen dienen sollten, unmöglich zu diesem Zweck genutzt worden sein konnten.

Doch sowohl Faurisson als auch Leuchter ignorierten eine Reihe entscheidender Faktoren bzw. hatten vielleicht einfach keine Ahnung. Läuse - die in den Entlausungskammern vernichtet wurden - sind erheblich blausäureresistenter als Menschen, das heisst, sie müssen Zyanidgasen länger und in einer höheren Dosierung ausgesetzt werden, bevor sie sterben; daher die intensivere Blaufärbung. Vom "Crown Council" hierauf angesprochen, verweigerte Leuchter die Antwort, denn es handle sich um ein Gebiet, zu dessen Beurteilung er nicht qualifiziert sei. [57] Dennoch hatte er die Befunde aus den Entlausungszellen zur "Gegenprobe" für seine Ergebnissse verwendet.

Überdies wurde in den Mordkammern vierzig- bis siebzigfach konzentrierteres Gas als zur Tötung von Menschen erforderlich eingeleitet. Aufgrund der Potenz des Gases atmeten die Opfer nur ein begrenztes Volumen ein. Rasch saugte das kraftvolle Ventilatorenssystem die Restluft aus den Räumlichkeiten ab. Infolgedessen kam das Gas an jedem Tag, da eine Gaskammer zum Einsatz gelangte, nur kurz mit deren Wänden in Berührung.

In den Entlausungskammern lag der Fall anders. Dem Berichten ehemaliger Häftlinge wie auch den technischen Handbüchern gemäss war das Gas täglich zwölf bis achtzehn Stunden mit den Wänden in Kontakt. Es iist deswegen nur logisch, dass sich in den Entlausungsvorrichtungen höhere Zyanidrückstände bildeten; auch die das Vorhandensein von Cyanwasserstoff indizierende Blaufärbung ist auf den Wänden einer Entlausungskammer eher sichtbar als in einer Gaskammer zur Menschenvernichtung.

Beide, Leuchter und Faurisson argumentierten, wegen der Explosionsgefahr "wäre es Wahnsinn" gewesen, eine funktionstüchtige Gaskammer in nächster Nähe eines Krematoriums anzusiedeln. Aufzeichnungen zeigen jedoch, dass die von der SS verwandten Gasmengen weit unter der Explosionsgefahrenquote lagen. [58] Die Anklagevertretung verwies im übrigen auf die Broschüre des Herstellers, derzufolge die Tötung von Ratten dreimal soviel von der Substanz erfordere wie die von Menschen und man zur Insektenvertilgung zwanzigmal mehr benötigte, als wenn man Ratten umbringen wollte. [59] Die Staatsanwaltschaft konterte das Argument also damit: Wenn es nicht einmal eine Gefahr dargestellt habe, hohe Gasmengen zur Insektenbekämpfung zu versprühen, sei es auch unter sicherheitstechnischen Aspekten gewiss unproblematisch gewesen, die relativ geringe Quantität von Gas in den Kammern einzuleiten, welche zur Vernichtung menschlichen Lebens ausreichte. [60]

Einen grundsätzlichen Widerspruch enthielt Faurissons und Leuchters nächste Hypothese, die krude Bauweise der Gaskammern belege ferner, dass sie nicht als tödliche Fallen gedient haben konnnten, ohne niicht auch den SS-Leuten, welche das Morden beaufsichtigten, Schaden zuzufügen. Entlausungs- und Gaskammern glichen sich in ihrer konstruktion jedoch haargenau, konsequenterweise bedeutete ein Leck in der einen wie auch in der anderen dasselbe Risiko, gleichgültig, ob sie Menschen oder Kleidung enthielten. Theoretisch ging von den Entlausungsräumlichkeiten sogar eine noch grössere Bedrohung aus, weil ihr Zweck nach stärkeren Gaskonzentrationen über ausgedehntere Zeiträume verlangte.

In einer Gaskammer fanden sich keine Cyanidspuren. [61] Leuchter führte das als Nachweis dafür an, dass sie nie als eine solche fungiert habe. Die betreffende Gaskammer wurde allerdings im Januar 1945 gesprengt. Im Sommer füllten sich die Ruinen bis zu dreissig Zentimetern, im Frühjahr bis zu einem Meter mit Wasser. Dr Einfluss der Witterung senkte den Cyanidpegel. [62] Darüber hinaus lässt sich Archivdokumenten entnehmen, dass sich bei Aalysen der Fnstergitter aus dm Krematorium, welche die polnischen Behörden nach dem Kieg in Auftrag gaben, Reste von Cyanidwasserstoffverbindungen nachweisen liessen. Dei der Gitter befinden sich im Auschwitz-Museum. Wenn Leuchter sich bei den Museumsangestellten erkundigt hätte, mit denen er ja angeblich ausführlich geredet hatte, hätten sie ihm diese Testresultate vermutlich nicht vorenthalten. [63]

Dies war nicht der einzige fall, bei dem Leuchter über die Geschichte stolperte. In einem Krematorium fielen die Proben teils negativ, teils positiv aus. Sie hätten indessen entweder durchweg negativ oder durchweg positiv sein sollen. [Wahrscheinlich insgesamt sogar eher negativ, da die Gaskammer kaum in Betrieb war.] Hätte Leuchter die Experten des Auchwitz-Museums gefragt, dann hätten sie ihm vermutlich erzählt, dass jenes Krematorium, welches in der Folge des missslungenen Häftlingsaufstands vom oktober 1944 zerstört wurde, unter Verwendung von originalen wie auch von Backsteinen anderer Gebäude wiederaufgebaut worden war. Leuchter führte seine Untersuchung demnach an einigen steinen durch, die nicht aus spezifisch diesem Krematorium stammten. Ausserdem schien er nicht in Betracht zu ziehen, dass das Gebäude seit mehr als vierzig Jahren Klima und Witterung ausgesetzt gewesen war und yanidrückstände daher möglicherweise getilgt waren. [64] Leuchter kratzte seine Mörtelspuren übrigens auch von einem Fussboden ab, den die Museumsangestellten regelmässig putzten. [65]

Ein Kameramann hatte das Prozedere bei der Entnahme der Proben auf Video gefilmt - ein offenkundiger Versuch, die dramatische Spannung von Leuchters Ausflug zu steigern. Vor laufender Kamera betonte Leuchter, er müsse bei der Arbeit Schutzhandschuhe tragen. Da es sich bei den von ihm durchgeführten Analysen um chemische, nicht um bakteriologische Tests handelte, dienten die Handschuhe wohl kaum einem anderen Zweck als verstärkter Theatralik. Er und seine Begleiter hatten sich zudem Masken umgebunden - Staubmasken, die einer chemischen Kontamination ohnehin nicht vorgebeugt hätten [dazu benötigt man ein in sich geschlossenes Luftfiltersystem]. Obendrein blieben Leuchter und seine Gehilfen nicht konsequent. Die Videoaufzeichnung jener Pröbchenfahrt offenbart, dass sie ihre Gesichter manchmal hinter Masken versteckten, manchmal nicht. Ihr wahlloses Verhalten lässt durchblicken, dass die Masken eher zur Effekthascherei als zu ihrem Schutz eingesetzt worden waren. [66]

Beim Abschluss von Leuchters Vernehmung vor dem Gericht zu Toronto am 20. und 21. April 1988 [*] war seine nahezu nichtexistente Ausbildung als Ingenieur nachgewiesen sowie seine nur klägliche historische Fachkenntnis blossgestellt worden. Letztere basierte auf zweihundert Seiten von Raul Hilbergs "Die Vernichtung der europäischen Juden", Artikeln von Holocaust-Leugnern, Gesprächen mit Faurisson, Irving, Zündel, Christie sowie dokumenten, die ihm - laut Leuchters eigenen Angaben - in Auschwitz vonden dortigen Museumsvertretern überreicht worden seien, was der Leiter der Gedenkstätte jedoch kategorisch bestritt. Richter Thomas entschied, Leuchter dürfe vor den Geschworenen Zeugnis darüber ablegen, was er auf seiner Reise gesehen habe, und es "im Rahmen seiner Kkompetenzen" in den Kontext der Materie stellen, mit der er "üblicherweise befasst ist". [67] Erst nach dem Prozess trat allerdings zutage, womit Leuchter "üblichweise befasst ist", und dies hielt sich nicht nur in noch bescheideneren Grenzen, als das Gericht vermutet hatte, sondern wurde ebenfalls zum Thema erheblicher Kontroversen.

Am 20. Juli 1990 sandte Ed Carnes, stellvertretender Generalstaatsanwalt von Alabama, eine Notiz an alle Bundesstaaten, welche die Todesstrafe praktizierten, in der er Leuchters Hintergrund und Seriosität in Frage stellte ...

Nach der Veröffentlichung seines Reports traf Leuchters Ruf als Amerikas führenden Experten für Gaskammerhinrichtungen ein weiterer Schlag. Obwohl er das Gegenteil beteuerte, verfügte er anscheinend über keine reale Erfahrung mit der Konstruktion oder Installation von Gaskammern.

Seine Behauptung, diverse Staaten hätten ihn diesbezüglich konsultiert, wurde von Beamten eben der Staaten bestritten, für die er angeblich gearbeitet hatte. ...

Zum Zeitpunkt der Veröfentlichung von Leuchters Abhandlung waren Gasexekutionen in sechs US-Bundesstaaten statthaft - Arizona, Kalifornien, Maryland, Mississippi, North Carolina und Missouri - vor kurzem allerdings wechselten diese Staaten zur Vollstreckung mittels tödlicher Injektion über. Aus den sechs bundesstaaten liegen offizielle Informationen vor, welche über ihre jeweilige Kommunikation mit Leuchter eindeutige Auskunft erteilen. Den diversen Verlautbarungen zufolge hat Leuchter ihnen trotz gegenteiliger Versicherungen seinerseits niemals zur Seite gestanden. ...

Die Glaubwürdigkeit des Leuchter-Reports stand und fiel mit seinen Fachkenntnissen in puncto Gaskammerkonstruktion. Missouri war der einzige Staat, der Leuchter diesbezüglich tatsächlich konsultiert hatte. Das Projekt gelangte allerdings, wie es scheint, über das Stadium einer Entwurfszeichnung zur Renovierung der Gaskammer in der Landesstrafanstalt nicht hinaus; näher kam Leuchters Firma an den konkreten Bau einer Gaskammer wohl kaum jemals heran. Die Pläne wurden unrealisiert ad acta gelegt, weil sich der Staat schliesslich entschloss, zu Exekutionszwecken künftig Todesspritzen zu verwenden. [77] ...

1988 begründete Leuchter eine Ingenieurfirma und liess sie in Massachusetts gewerblich registrieren. Die Definition ihrer Aufgabe lautete auf "Durchführung technischer Arbeiten" allgemeiner Art sowie entsprechender Beratung. [80]

Die Firma bot Hinrichtungsgeräte an: ... Gaskammern waren mit 200.000 Dollar veranschlagt. Für Staaten ohne feststehende Vollstreckungstätigkeiten entwickelte Leuchter einen in sich betriebsbereiten "Exekutionswagen" zum Preis von 100.000 Dollar; in den Preis eingeschlossen waren eine Injektionsmaschine, eine stählerne Verwahrungszelle für den Todeskandidaten sowie Platz für Zeugen, medizinische Betreür und Gefängnisangestellte. [81]

Im April 1990 reichten Shelly Z. Shapiro, Leiter des Vereins "Holocaust Survivors and Friends in Pursuit of Justice", und Beate Klarsfeld gemeinsam einen Beschwerdebrief beim "Massachusetts Board of Registration of Engineers" in Boston ein; Thema des Schreibens war Leuchters ungerechtfertigter Anspruch auf den Ingenieurtitel und sein Missbrauch des Titels, um "die Allgemeinheit zu täuschen", sofern es um Gaskammern ging. [82] Die Kammer veranlasste eine Untersuchung und fand genügend Hinweise, um ihn der illegalen Ausübung des Ingenieurberufs anklagen zu können bzw. eines illegalen Anbietens seiner Dienste in dem Bereich. [83] Im Juni 1991, zwei Wochen vor Beginn der Verhandlung wegen unerlaubten Betreibens eines Gewerbes, unterzeichnete Leuchter eine Einverständniserklärung gegenüber dem Staat Massachusetts, in der er zugab, "nie und nimmer" ein professioneller Ingenieur gewesen zu sein; er habe sich unter anderem in den Staaten Massachusetts, New Jersey sowie Alabama fälschlicherweise als solcher ausgegeben und sich eigenmächtig die Berechtigung zürkannt, als Fachmann für "Exekutionstechnologie" aufzutreten und in diesem Zusammenhang Empfehlungen auszusprechen. Ferner gestand er ein, das er Gutachten angefertigt habe, unter anderem über "die "Alleged Execution Gas Chambers at auschwitz, Birkenau, and Majdanek", die technische Ansichten meinerseits beinhalten", obwohl er weder Ingenieur war noch je eine Ingenieurgewerbeprüfung abgelegt hatte. Er versprach, "damit aufzuhören und davon Abstand zu nehmen", sich als Ingenieur zu gebärden und wissenschaftliche Analysen herauszugeben, wie zum Beispiel die über Auschwitz, in denen er technische Details kommentierte. [84]

Leuchters Reputation war bereits empfindlich angeschlagen, da erfolgte aus unerwarteter Richtung eine noch gravierendere Attacke. Ein Mann aus Frankreich, der von Faurissons Spekulationen über Gaskammern anfänglich begeistert gewesen war, wirbelte die Unterstellungen der Holocaust-Leugner gehörig durcheinander.