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Dieser Artikel erschien leicht verändert
am 23.09.2001 im
Berliner Tagesspiegel
.Die schnellsten Gerüchte der Welt
  - Wer steckt hinter dem Anschlag auf die USA? Der CIA? Der Große Baumeister? George W. Bush? Im Internet schlägt die Stunde der Verschwörungsexperten

Das Datum sagt jedem Wissenden schon genug: Am 11. 9. 2001 krachten Flugzeuge auf das World Trade Center und das Pentagon. Die Quersumme des Datums ergibt die Zahl 23. Diese Zahl ist dem Geheimbund der Illuminaten heilig und beweist, dass finstere Mächte ihre Hände im Spiel hatten. Der Roman-Autor Robert Wilson hat deren Machenschaften in seinem Werk "Illuminatus" schon vor zwanzig Jahren aufgedeckt. Jetzt gilt es, die Welt vor der kommenden Zerstörung zu retten. Helden sind gefragt, die uns Ahnungslosen verraten, welche geheimen Zeichen das Internet zum Entschlüsseln bereithält.

Im Usenet, den virtuellen Diskussionsforen, und auf vielen Websites wird dem Mangel an Aufklärung abgeholfen. Die dumme Masse muss nicht dem Fernsehen oder den Zeitungen glauben. Sie kann die Wahrheit erfahren, was wirklich in den USA geschah. Der September ist der siebte römische Monat, die Anfangsbuchstaben für "World Trade Center", ergeben, nach ihre Position im Alfabet, addiert mit dem Datum die Zahl 22. Und diese symbolisiert den "Großen Baumeister der Welten" bei den Freimaurern. Und schon hängt alles mit allem symbolisch zusammen. Was die Medien berichteten, war ein Fake. Die Terroristen waren nur Marionetten, wie wir alle, die an den Fäden der Hintermänner hängen, die uns und die Ereignisse manipulieren.

Nur gut, dass des im Internet genügend Leute gibt, denen die kleinen Fehler des geheinen Plans auffallen: Zeigt nicht der davoneilende Schatten hinter dem einen der berstenden Türme zweifelsfei ein nicht identifizierbares Flugobjekt? Meldet nicht ein Sender in Beirut, dass - merkwürdig! - 4000 Israelis am Tag der Anschläge nicht an ihren Arbeitsplätzen waren? Warum lassen die Terroristen Flugunterlagen in ihren profanen Mietautos, warum haben sie ihre Abschiedsbriefe nicht einfach in einen Briefkasten geworfen? Vergleicht man die Flugbewegungen minutiös, merkt jeder, das genug Zeit geblieben wäre, die Maschinen abzufangen. Und ist es nicht ein bezeichnender Zufall, dass das Gebäude der CIA verschont blieb? Es sei doch offensichtlich, diskutiert man in der Newsgroup alt.conspiracy.new-world.order, dass es sich um einen heimtückischen Anschlag der CIA handele, der von allem vorher gewusst habe.

Das kennen wir von Pearl Harbour, vom Mord am Präsidenten Kennedy und vom Tod Prinzessin Dianas und vergleichbaren Ereignissen: man erfährt nie, wie es wirklich war. Nur "sie" wissen es. Und "sie" weihen nur einige wenige ein, die von der Welt verlacht werden, weil sie hinter die Kulissen schauen. Wurden nicht im Zweiten Weltkrieg 188 entschlüsselte Botschaften den Militärs vorenthalten, die vom bevorstehenen Angriff der Japaner warnten? Ist nicht mittlerweile bewiesen, dass den Geheimdiensten damals der "Überraschungsangriff" gelegen kam? Wussten die USA nicht schon lange vorher vom Aufmarsch Saddam Husseins gegen Kuweit - und blieben untätig? Und päppelte George W. Bush nicht Osama bin Laden hoch, weil ein Kousin bin Ladens, Salim Ibn Laden, sich von einem schwerreichen Repäsentanten in den USA vertreten ließ, James R. Bath, einem Fliegerkameraden von Bush, der dem das Startkapital für dessen Olfirma verschaffte?

Dem Mangel an Information kann heute durch das Internet abgeholfen werden, etwa in den Foren alt.conspiracy.fbi, alt.conspiracy.jfk, alt.conspiracy.laid.di, alt.conspiracy.america-at-war - mit vielen Links, die auf passende Fundstellen im World Wide Web verweisen. Es gibt kein Medium, das Gerüchte, Halbwahrheiten und Verschwörungstheorien schneller und effizienter verbreitet als das Internet. Bilder müssen nicht die Realität widerspiegeln. Bilder können manipuliert werden und in einem Ambiente wirken, das Seriösität suggeriert. Nicht sorgsam recherchierte Informationen machen auf sich aufmerksam, sondern das Exotische, das schnell zum Kult wird. Das Internet, insbesondere die Diskussionsforen des Usenet, lässt die geistig Armen sich virtuell versammeln, deren ganz eigene Weltsicht gleichberechtigt neben den neuesten Agenturmeldungen zu finden ist. Wer nie eine Chance hatte, der Öffentlichkeit zu erklären, wie die Welt in Wahrheit ist, wer sie wirklich reagiert und welche geheimen Mächte die Strippen ziehen, der ist hier richtig. Jeder liest und hört zu.

Der Overkill an Informationen schreckt diejenigen, die einfache Realitäten, die klare Dichotomien von Gut und Böse, von Schwarz und Weiss mögen. Wie schön wäre es, wenn die Welt ein Ziel hätte! Wenn alle Ereignisse Teil eines wömöglichen rationalen Plans wären, der nur zu erforschen und zu erkennen wäre! Wenn es nur des Entschlüsselns geheimer Zeichen bedürfte, um die Wahrheit zu erkennen! Waren im Zeitalter vor dem Internet verstaubte Folianten und kodierte Symbole, die geheime Mächte uns zu hinterlassen geruht haben, Quelle der verschwörungstheoretischen Inspiration, tritt jetzt der scheinbar allumfassende Wissen der Menschheit, das online verfügbar ist, an deren Stelle. Es gilt nur noch, die Websites zu finden, die die Fülle der Zeichen richtig ordnen. Das Internet macht, wie Karl Marx schon über den Protestantismus urteilte, alle Pfaffen zu Laien, indem es alle Laien zu Pfaffen macht. Jeder hat genug Material, um sich eine neue virtuelle Welt zu phantasieren. Das Internet geht noch einen Schritt weiter als die Absage an das Meinungsmonopol einer alleinseligmachende Kirche: Es ist der grosse Gleichmacher von Gurus, Endzeitpropheten und Wirrköpfen. Es braucht weder Charisma, weder Groupies noch Jünger noch heilige Stätten, um weltweit Gehör zu finden.

Das neue Medium zersplittert komplizierte Weltsichten in einzelne Fragmente, die sich jeder neu zusammensetzen kann. Gleichzeitig bestätigt das Internet die bekannte erkenntnistheoretische Tatsache, dass jeder nur das wahrnimmt, was das eigene Weltbild bestätigt. Warum sollte der amerikanische Präsident George W. Bush nicht der Antichrist sein? Die Terroranschläge auf New York nicht die Vorboten des Armageddon, von dem die alten heiligen Bücher ohnehin verkünden? Das Internet produziert, wenn man nur will, alle Bilder und Botschaften, die genau das bestätigen, was man dunkel vermutete. Da helfen auch keine grimmigen Kommentare, derer sich Verschwörungstheoretiker immer gewiss sein müssen. Natürlich könne Bush nicht der Antichrist sein, argumentiert ein Zyniker in der Newsgroup alt.conspiracy.antichrist. Die Bibel habe geweissagt, der Antichrist stamme aus Syrien. Bush sei aber bekanntlich in Texas geboren. Ausserdem sei der amerikanische Präsident nicht "smart" genug für den Job als Vollstrecker der göttlichen Teleologie. Der Prophet Daniel sage über den Antichristen: "Ein Mund ward ihm gegeben, um große Dinge auszusprechen." Und das sei "clearly not in reference to Bush."

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