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Dieser Artikel erschien
- leicht gekürzt -
am 01. 08.2001 im
Tagesspiegel
.Hacken als Kulturleistung
  - zum Tode Wau Hollands
Wau Holland

Eine lebende Legende ist tot. Wau Holland, 49, Gründer und Alterspräsident des Chaos Computer Clubs, starb in den frühen Morgenstunden des 29. Juli an den Folgen eines Schlaganfalls. Mit ihm verliert die internationale Hacker-Szene die letzte charismatische Persönlichkeit.

Wau Holland, eigentlich Herwart Holland-Moritz, schrieb 1981 für die "Tageszeitung" über die "Computer-Guerilla", als Experten noch bezweifelten, dass es in Deutschland überhaupt Hacker gäbe. Kurz darauf initiierte Holland die "Datenschleuder", das "Fachblatt für Datenreisende", eine Zeitung für Hacker und solche, die es werden wollten. Im Februar 1984 verkündete das Programm des neu gegründeten Chaos Computer Clubs, Hacken sei der "schöpferische, praktisch und respektlose Umgang mit komplizierter Technik."

Die Kulturleistung Wau Hollands und des frühen Chaos Computer Clubs war es, das Vertrauen in die scheinbar sichere Technik nachhaltig zu erschüttern. Wer glaubte, ein Computersystem sei absolut sicher, der wurde eines Besseren belehrt. Wau Holland war dabei, als der CCC 1983 in die Rechner der Hamburger Sparkasse eindrang und die zu Demonstrationszwecken um 135000 Mark erleicherte. Die Post, der frühere Erzfeind der Hacker, nur "der Gilb" genannt, hatte vorher vollmundig versichert, ein digitaler Einbruch in das damalige BTX-Sysstem sei unmöglich.

Der Doyen der deutschen Hacker verkörperte in seinem Outfit konsequent seine Philosophie: immer lugten Werkzeuge aus der Tasche seiner unvermeidlichen blauen Latzhose, die er nur im Sommer mit einer Toga aus Leinen vertauschte. Der ergraute Rauschebart unterstrich sein rhetorisches Geschick, mit dem er bei unzähligen Vorträgen die Auditorien in seinen Bann zog. Gespannt lauschten Jugendliche, wenn er aus den Zeiten erzähle, als der Besitz einen nicht zugelassenen Modems zu Hausdurchsuchungen führte.

Holland war nicht nur Techniker, sondern hatte politische Visionen. Das unterschied ihn von heutigen "Script-Kiddies", die nur aus Spass in fremde Rechner eindringen. Der Computer sei die erste Universalmaschine, dozierte er - der Rechner als Wissensspeicher als neuere Version der Enzyklopädie von Diderot."Eine Gesellschaft funktioniert nicht, wenn mehr Wissen zu mehr Macht verhilft". Die Forderungen der französischen Aufklärer seien noch nicht erfüllt. Wau Holland war einer der grössten Verfechter der Meinungsfreiheit, ein erbitterter Gegner jeglicher Zensur.

Hacken war für ihn eine Kulturleistung. Er sah sich in der Nachfolge von Heinrich Stephan, dem den Erfinder der Postkarte und Generalpostmeister im Kaiserreich. Der setze den Weltpostvertrag durch, in dem geregelt wird, wie der Briefverkehr zwischen Staaten funktioniert, die gerade Krieg führen. "Freier Zugang für alle zu allen Informationen" war das zentrale Motto Hollands - keine Forderung, die heute, im Zeitalter digitaler Tauschbörsen wie Napster und des Kampfs um Urheberrechte, schon konsensfähig wäre. "Wissen ist mit der Verantwortung verbunden, es weiterzugeben." Jeder Programmierer nehme Vorwissen anderer in Anspruch: Dessen sollte sich jeder bewusst sein, "bis zu Konrad Zuse". Wer Wissen zurückhält, ist der Feind. Der Computer soll ein Werkzeug für jeden sein, "keine Ideologie-schwangere Maschine, die Macht verleiht wie ein Zahnarzt."

Wau Holland war immer in Bewegung. Er weigerte sich, mit seinem Wissen Geld zu verdienen und lehrte lieber Jugendlichen, wie man schöpferisch mit dem Computer umgeht. Er siezte selbst Kinder gnadenlos zurück, bis die ihn duzten. "Ich dulde nur Gespräche auf gleicher Ebene." Er hat viele beeinflusst, die ihn nie persönlich kennengelernt haben. Das Kondolenzbuch im Internet zeugt davon. Wau Holland werde, so hofft ein Jung-Hacker, die Baupläne des Himmels hacken und sie der Welt zur Verfüung stellen.

www.digitalis.org/wau/ - Kondolenzbuch

CCC - zum Tode Wau Hollands

Hacken als Form der Gesellschaftskritik - Telepolis, 30.07.2001, Stefan Krempl

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