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Erschienen am 24.10.2000
(leicht gekürzt"
in der TAZ, Berlin
.Abwickeln
- zum 50. Geburtstag des Verfassungsschutzes

Der Verfassungsschutz wird am 7. November 50 Jahre alt. Wer ist dafür verantwortlich, dass es diese Mutter aller überflüssigen Behörden noch gibt? Wir, die Medien, sind ausnahmsweise mitschuldig. Jeder Pups, den der so genannte Inlandsgeheimdienst von sich gibt, wird zitiert. Wen die Medien am beachten, hat gewonnen und gilt etwas. Das hat der Verfassungsschutz dem ungleich seriöseren, aber unbekannten Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie voraus.

Mephisto sagt im "Faust": "Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen." Das gilt auch für die Pressemeldungen des Verfassungsschutzes. JournalistInnen verzichten gern im Fall einer Behörde, die etwas absondert, auf Recherche, aus Ehrfurcht vor der scheinbaren Seriösität einer amtlichen Verlautbarung. Mit schöner Regelmäßigkeit tauchen daher sinnfreie Worthülsen auf wie "Hacker, Nazis, Extremisten (Zutreffendes bitte ankreuzen) nutzen das Internet". Oder: "Mit Sorge beobachtet der Verfassungsschutz" dieses und jenes. Es steht in der Zeitung, der VS schreibt es ab, die Journalisten schreiben aus dem VS-Bericht ab, es steht in der Zeitung.

Der Verfassungsschutz betrachtet sich als "Frühwarnsystem der Demokratie". Das ist Unfug, weil die Schlapphüte nach eigenen Angaben achzig Prozent ihrer Erkenntnisse aus öffentlichen Quellen beziehen. Der Rest kommt von bezahlten Spitzeln, deren Informationen aber in der Regel sehr zweifelhaft sind. Die Skandale, die der VS und seine Dunkelmänner in den letzten Jahrezehnten produziert haben, füllen ganze Aktenordner. Der Verfassungsschutz hatte Bombenbauer und jede Menge tatkräftig agierende Neonazis auf seiner Gehaltsliste und denunzierte zu Unrecht unbescholtene Personen wie einen Berliner Polizeidirektor.

Der Verfassungsschutz hat noch nie rechtzeitig gewarnt, weder vor den Pogromen von Rostock und Hoyerwerda, noch vor dem Rechtstrerroristen Kai Diesner, noch vor der NPD, die jetzt, ganz plötzlich, kämpferisch gegen die Verfassungs sein soll. Warum wird die Behörde nicht einfach abgeschafft? Weil die Grünen regieren und ein permanent schlechtes Gewissen haben. Eine Partei, die sich früher vehement für die Bürgerrechte einsetzte, darf nicht fordern, die Schlapphüte in die Wüste zu schicken, weil man sie dann bezichtigen könnte, nicht genügend verfassungstreu zu sein. Das erinnerte zu sehr an die Vergangenheit, als man selbst noch ständig in Gefahr schwebte, in den Verfassungsschutzberichten aufzutauchen. Wer sich, wie Jürgen Trittin, dafür einsetzt, den Obrigkeitsstaat zu mobilisieren, um das Böse alias die Nazis alias die NPD zu verbieten, kann sich nicht gleichzeitig der Zitatensammlung einer Behörde berauben, die der Regierung die Meinung, was "extremistisch" sei, zuarbeitet.

Das Thema eignet sich nur noch für Satire. Auf die Frage: "Was macht eigentlich der Verfassungsschutz?" gibt es zwei Antworten: "Er liest gerade Zeitung" oder: "Er ist gerade aus dem Ruder gelaufen und/oder auf der Flucht vor Interpol" wie der per Haftbefehl gesuchte ehemalige Verfassungsschutzchef Holger Pfahls. Das Verfassungsschutz ist ein entzündeter Blinddarm der Demokratie. Ceterum censeo: Abwickeln!

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