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Dieser Artikel
erschien am 11.8.99
in der Jungle World
.Mission in der nationalen Zone
  - Canyoning für Antirassisten
Der Deutsche mag seine Landschaft. Deshalb schützt er sie vor Chaoten und Müll, überall, und in Sachsen ganz besonders. Genehmigung eingeholt, Zaun drum, Durchführungsverordnung und Ausführungsbestimmung davor genagelt. Ruhe ist die erste Bürgerpflicht. Grenzen zu für alle. Aber wie dem Stinknormalen erklären, dass das verkehrt sei? Dass die armen Schweine von drüben, östlich des Beitrittsgebiets, keine Päckchen und Care-Pakete wollen, sondern über die Grenze respektive die Oder? Und dass dieses Wollen ein unveräusserliches Menschenrecht sei?

Die Rollen sind a priori verteilt. Die Missionare glauben an die Macht der symbolischen Tat: Wir setzen Zeichen. Wir setzen uns ins Landschaftsschutzgebiet. Campen für den Frieden. Lagerfeuer gegen Rassismus. Und jeden Tag eine gute Tat. Reisekader in der befreiten Zone, eine Art politisches Canyoning für Aktive. Wir sind ausnahmsweise viele und fühlen uns gut.

Leider sagen das die anderen auch. Die Stinknormalen reagieren auf die antirassistischen Reisekader mit klammheimlicher Schadenfreude: Wenn ihr wieder weg seid, dann denken wir genauso wie vorher. Ätsch. Und sie ärgern sich darüber, dass die auswärtige Feindpresse das intakte dörfliche Vereinsleben und die dazu passenden Umzüge weniger würdigt als die kurzhaarigen Jungs, die ab und zu mal ihre Gegner aufmischen, die mit den bunten Haaren, der falschen sexuellen Orientierung oder der falschen Hautfarbe. Wer so aussieht, provoziert und ist im übrigen selber schuld. Ruhe bitte, und den Deckel drauf. Taxis nur für Weisse.

Wie also die Verhältnisse zum Tanzen bringen? Gut ist die Idee des antirassistischen Campings, weil die sächsischen Hinterwäldler unfreiwillig entdecken müssen, dass es andere Leute gibt als sie. Wenn es nur ein halbes Dutzend Gute gibt, wie schon in Sodom und Gomorrha vergeblich erhofft wurde, dann werden diese Mut schöpfen. Action ist immer gut, an den Grenzzäunen spiessbürgerlicher Tabus rütteln, ist attraktiv für den Nachwuchs, Räuber-und-Gendarm mit dem BGS oder den Nazis (Zutreffendes ankreuzen) allemal besser als Ballermann 6. Nazis sind unstrittig dumm und langweilig. Aber wenn man niemanden sonst kennt, fällt das nicht unangenehm auf.

Schlecht am Campen gegen Rassismus ist, dass die Missionare des moralisch Guten nicht dieselbe Sprache wie die Stinknormalen sprechen. Die verstehen gar nicht, was man von ihnen will. Schlecht ist auch: Die Guten sind darauf angewiesen, dass die anderen Verbote erlassen. Wenn niemand etwas gegen das Camp gehabt hätte, wäre das eine Meldung gewesen - so wichtig wie ein Fussballspiel der erzgebirgischen Verbandsliga. Beide Parteien sind aufeinander angewiesen, um sich ritualisiert in Szene zu setzen. Die Medien ändern keine Meinungen, sie verstärken nur die jeweils schon vorhandenen.

Das Ergebnis steht also vorher fest. Das Verbot beweist den sächsischen Aboriginals und ihren Wählern und Wählerinnen: Wir greifen gegen das Fremde hart durch. Wo kämen wir denn hin. Wir lassen uns das nicht gefallen. Schützt unser Eigentum und die Jägerzäune. Beobachten lassen, ordnungsgemäss durchführen. Unser Land muss sauber bleiben und die Ausländer und deren Verbündete draussen. Und die moralisch wertvollen Reisekader bestärkte die drohende Illegalität des Camps in der festgefügten Meinung, dass alles so furchtbar sei, wie an linken Stammtischen über den Osten erzählt wird. Die Guten müssen noch näher zusammenrücken. Davon erzählen wir noch unseren Enkeln, damals, in Brok- und Lückendorf, nachts am Lagerfeuer, gen Ostland woll'n wir campen, und ringsum dräute der Feind.

Übrigens. Neulich, an den Gymnasien in Niesky und in Bautzen: nur Linke, ausser den Lehrern. Gar nicht so schlimm, wie es in der Zeitung steht. Jedenfalls gibt es in Ostsachsen mehr Gerechte als in Sodom und Gomorrha und mindestens genausoviel wie in der Oberpfalz. Aber im Dreiländereck Polen-Tschechien-Deutschland sind das oft Sorben. Die sprechen ausländisch wie die deutschen Türken in Kreuzberg. So hat schon Hernán Cortéz die Verhältnisse im Aztekenreich zum Tanzen gebracht: Er verbündete sich mit einheimischen Minderheiten. Eine Idee also für einen Workshop beim nächsten Camping gegen Rassismus: Wie heisst "Keinen Fussbreit den" auf sorbisch?

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