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am 14.5.1997 im Tip
.Geheimes Netz
Hacker aufgepaßt! Wer von euch die Web-Seiten der CIA ansieht, wird gleich gewarnt: "Only for authorized purposes!" Und: "Beachten Sie, daß Sie jetzt überwacht werden!"

Die Nutzung des Systems bedeute Zustimmung to such monitoring and auditing. Wer das Logo der CIA etwa durch ein Pornobildchen ersetzen will, was sehr fortgeschrittenen Programmierern nicht unmöglich ist, sollte damit rechnen, daß sehr bald die Schlapphüte vor der Tür stehen. Nett, daß Big Brother es immerhin für nötig erachtet, vor sich selbst zu warnen. Otto Normalsurfer droht jedoch keine Gefahr: Die CIA weiß jetzt lediglich, wer sich für sie interessiert. Wer seine eigene Identität verbergen will, braucht sich nur über einen Anonymizer in die Mutter aller Netze einzuwählen. Ein fiktives und unauffälliges Pseudo gewählt, etwa bill@clinton.de, und niemand wird erfahren, wer an den zahlreichen Homepages diverser Geheimdienste virtuell geschnuppert hat. Der amerikanische Super-Geheimdienst NSA (National Security Agency), der so gut wie jedes Byte ausspäht, das vorbeirauscht, wird einen kaum mit Werbung überschütten ("spammen"), wenn man dort seine virtuellen Fußstapfen hinterlassen hat. Das passiert aber garantiert, wenn man die Seiten betrachtet, die nach der Eingabe der Suchworte big tits, blow jobs oder hardcore aufgerufen werden. Der Datenfluß verläuft immer in beide Richtungen. Im Prinzip, wußte schon Radio Eriwan, ist der Internet-Reisende vor Ausspähung seiner Festplatte gefeit. Aber nur im Prinzip. Es gibt für alle fiesen Tricks Software, aber auch welche, um sich gegen alle fiesen Tricks abzusichern. Und dagegen kann man wiederum Software entwickeln. Es gibt kein sicheres Computer-System - diese Mission ist garantiert impossible.

Adrian R. D. Norman, ein Computersicherheitsexperte bei der OECD und ausgewiesener Kenner sowohl der Hacker-Szene als auch derer Gegner beim Großen Bruder, seufzte schon vor zehn Jahren: "Der erschwerte Zugang ist eine Herausforderung für den Angreifer, so wie der schwierige Gipfel den Bergsteiger anzieht."

Eine Frage der Ehre also, ob ein identifizierter Hacker sich kaufen läßt und in Zukunft als Sicherheitsexperte beim Geheimdienst arbeitet. Der legendäre Joe Engressia war zu der Zeit aktiv, als Billy Gates noch in der Garage werkelte. Joe war blind und pfiff Frequenzen so perfekt, daß sich die Gebührenzähler der Bell Company ausschalteten und er gratis telefonieren konnte. Er bekam sofort einen Job bei der Company, nachdem die Polizei ihn erwischt hatte.

Auch Geheimdienste brauchen Werbung. Die Öffentlichkeit entscheidet, wer Gelder bekommt. Also muß man behaupten, daß die eigene Arbeit wichtig ist. Niemand weiß, wieviele virtuelle Einbrüche in Sicherheitssysteme erfolgen, genausowenig wie eine Bank bekanntgeben wird, ob und wie oft jemand die Geldautomaten manipuliert. Der vielbeschworene Krieg im Cyberspace ist eine Legende und findet weniger im World Wide Web statt, sondern dort, wo Programme entwickelt werden, bei deren Erwerb sich Regierungen und Wirtschaftsunternehmen die virtuelle Hintertür gleich mit ins Haus liefern lassen. Die Pressearbeit der Militärs und der Geheimdienste wirkt so seriös wie während des Golfkriegs.

Eines aber ist sicher: die Amerikaner sind allen anderen weit voraus.

Und je selbstbewußter ein Geheimdienst ist, um so offener präsentiert er sich im Internet. Kein Wunder, denn die Militärs haben es ja erfunden. Die NSA bietet eine Homepage an, einen Leckerbissen für alle Spionage- und Kryptologie-Fans. Im virtuellen Museum kann man Signalflaggen aus dem amerikanischen Bürgerkrieg bestaunen sowie Codebücher aus den 30er Jahren.

Ganz bescheiden sagt die NSA von sich, sie ist "on the very frontiers of communications on data processing". Die Spionage-Fabrik ist auch das weltgrößte Zentrum "of foreign language analysis". Ihre Experten kämpften an der vordersten Front des Cyberspace-Krieges, im geheimen Projekt VENONA, Code-Name für eine gemeinsame Operation aller amerikanischen Geheimdienste, um die Texte der russischen Konkurrenz KGB und GRU zu entschlüsseln. Der Clou auf der NSA-Homepage: Das Foto eines russischen Agentenradios, diskret aufgenommen ("by a private collector") im KGB-Museum in Moskau. Die National Security Agency ist einer der wichtigsten Arbeitgeber im US-Bundesstaat Maryland. In SIGINT-City arbeiten 50.000 Menschen. Die deutsche Dependance sitzt im bayrischen Bad Aibling. Das ist zwar supergeheim, die Abhörschüsseln kann man aber aus mehreren Kilometern Entfernung sehen.

Wer einen Job als Spion sucht, kann sich gleich online bewerben. "Solutions for a safer world" ist die Devise. Selbstredend ohne den Hinweis, daß Sicherheit für die Geheimdienste auch heißt, überall den Generalschlüssel haben zu wollen.

Die NSA war eine der erbittertsten Gegnerinnen des Programmierers Phil Zimmermann. Der beglückte die Welt mit dem Verschlüsselungsprogramm Pretty Good Privacy (PGP) - gratis und mit der Garantie, daß die Experten aller Geheimdienste beim Lesen der E-Mail künftig leider draußen bleiben müssen. Davon steht nichts auf der NSA-Homepage. Auch Geheimdienste geben Niederlagen nur ungern zu.

Die Deutschen leben noch im Neolithikum des Cyberspace. Das Verteidigungsministerium verweist, wenn es um online oder offline geht, auf die "EDV-Abteilung". Und der Militärische Abschirmdienst ist so geheim, daß er sich noch nicht einmal eine Homepage im Internet leistet. Oder er fürchtet sich vor Hackern, die diese knacken könnten. Das sind im Zweifelsfall die Kollegen aus den USA. Denn im Internet gilt das Motto: Daß du keine Paranoia hast, ist noch lange kein Zeichen dafür, daß sie nicht hinter dir her sind!

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